Pres­se­er­klä­rung des vdää zu den gesund­heit­li­chen Fol­gen des Flug­ver­kehrs

Der mensch­li­che Orga­nis­mus reagiert auf eine Lärm­quel­le in der oben genann­ten Stär­ke und Dau­er durch Flucht­re­ak­ti­on oder Gegen­wehr. Da bei­de Ver­hal­tens­mus­ter bei Flug­lärm nicht ein­fach rea­li­siert wer­den kön­nen, kommt es zur bewuss­ten oder unbe­wuss­ten men­ta­len Unter­drü­ckung, ohne dass aller­dings die kör­per­lich fass­ba­ren Reak­tio­nen mit unter­drückt wer­den könn­ten. Die­se bestehen in einem mess­ba­ren und signi­fi­kan­ten Blut­druck­an­stieg, der sich über Jah­re sta­bi­li­siert und dann auch ohne Lärm­stress nicht mehr rever­si­bel ist. Es kommt zu einer ver­mehr­ten Aus­schüt­tung von Stress­hor­mo­nen wie Neben­nie­ren­rin­den- und ‑mark­hor­mo­nen (Cor­ti­sol und Adre­na­lin) sowie zu einer Erhö­hung des Cho­le­ste­rin­spie­gels im Blut­se­rum. Die Kom­bi­na­ti­on die­ser Stress­re­ak­tio­nen führt in einem signi­fi­kan­ten Aus­maß zu Herz-Kreis­lauf-Erkran­kun­gen und in ers­ter Linie zu Herz­kranz­ge­fäß­ver­en­gun­gen. Neben die­sen Effek­ten sind Ver­än­de­run­gen des Immun­sys­tems fest­ge­stellt wor­den. Es zeig­te sich, dass Immun­glo­bu­lin­frak­tio­nen in dem Sin­ne einer Ver­än­de­rung erfah­ren, dass die Immun­ab­wehr her­ab­ge­setzt wird und somit die Nei­gung zu Infek­ten steigt.

Die­se nach­tei­li­gen Wir­kun­gen von Lärm gel­ten in beson­de­rem Maße für die nächt­li­che Ein­wir­kung. Des­halb ist ein unein­ge­schränk­tes Nacht­flug­ver­bot von beson­de­rer Bedeu­tung für die Bevöl­ke­rung. Selbst ohne sub­jek­tiv erleb­te Unter­bre­chung des Schla­fes kommt es nach­weis­lich zu gesund­heits­schäd­li­chen Ver­än­de­run­gen des Blut­drucks, des Hor­mon­stoff­wech­sels und der Schlaf­pha­sen. Die­se Zusam­men­hän­ge wur­den erst kürz­lich im Rah­men einer groß ange­leg­ten Stu­die des Bre­mer Epi­de­mio­lo­gen Eber­hard Grei­ser (Epi.Consult GmbH, Bre­men, Insti­tut für Public Health und Pfle­ge­for­schung im Auf­trag des Umwelt­bun­des­am­tes 2007) nach­ge­wie­sen: Es zeig­te sich ein beson­ders deut­li­cher Zusam­men­hang zwi­schen Lärm­be­las­tun­gen und Arz­nei­mit­tel­ver­ord­nun­gen gegen hohen Blut­druck und bei Herz­krank­hei­ten, wobei der Zusam­men­hang für Nacht­lärm deut­lich kla­rer noch als für Tag­lärm war. Dass nächt­li­cher Lärm nicht nur nervt, son­dern auch krank macht, wur­de auch in einer aktu­el­len euro­päi­schen Stu­die mit Exper­ten des Umwelt­bun­des­am­tes in Des­sau nach­ge­wie­sen. Bei den rund 5.000 unter­such­ten Anwoh­nern der Flug­hä­fen Ams­ter­dam, Athen, Ber­lin, Lon­don, Mai­land und Stock­holm führ­te Nacht­flug­lärm zu höhe­ren Blut­druck­wer­ten. Schon ein Anstieg des nächt­li­chen Flug­lärms um zehn Dezi­bel im unte­ren Schall­pe­gel­be­reich erhöht das Risi­ko für Blut­hoch­druck bei Frau­en und Män­nern um rund 14 Pro­zent.

Neben die­sen eher kör­per­li­chen Ver­än­de­run­gen sind in der wis­sen­schaft­li­chen Lite­ra­tur psy­cho­so­zia­le beschrie­ben wor­den. So zeig­ten ver­glei­chen­de Unter­su­chun­gen von Kin­dern und Jugend­li­chen mit und ohne Lärm­stress ein deut­lich abwei­chen­des Ver­hal­ten. Kin­der unter Lärm­stress konn­ten sich schlech­ter kon­zen­trie­ren, waren kör­per­lich unru­hi­ger, aggres­si­ver, sahen ihre Situa­ti­on weni­ger posi­tiv.

Neben den Aus­wir­kun­gen chro­ni­scher Lärm­ex­po­si­ti­on sind die der ver­mehr­ten Schad­stoff­be­las­tung durch Kero­sin­ver­bren­nung mit der Ent­ste­hung von Ben­zolen, Schwer­me­tal­len, Stäu­ben etc. umfas­send und bes­tens unter­sucht. Eine Zunah­me von Krebs­er­kran­kun­gen wird mit Stäu­ben und Ben­zol in Zusam­men­hang gebracht. Ver­glei­chen­de Unter­su­chun­gen von Kin­dern in Rein­luft bzw. hoch belas­te­ten Gebie­ten in inner­städ­ti­schen Bal­lungs­räu­men zeig­ten eine signi­fi­kan­te Zunah­me von Lymph­kno­ten­schwel­lun­gen, einer Ver­meh­rung von Ent­zün­dungs­zel­len im Blut, einer ver­mehr­ten Schwel­lung von Rachen- und Gau­men­man­deln sowie eine nach­weis­bar höhe­re Schwer­me­tall­be­las­tung in den Haa­ren im Ver­gleich zu den Kin­dern in Rein­luft­ge­bie­ten.

Die hier auf­ge­führ­ten gesund­heit­li­chen Aus­wir­kun­gen sind für bestimm­te Bevöl­ke­rungs­grup­pen beson­ders bedroh­lich. Klein­kin­der, Schwan­ge­re, chro­nisch Kran­ke sowie hoch­be­tag­te Men­schen haben mit stär­ke­ren Aus­wir­kun­gen auf ihre Gesund­heit zu rech­nen als die übri­gen Bevöl­ke­rungs­grup­pen.

Die mit der Aus­wei­tung des Luft­ver­kehrs unwi­der­spro­chen stei­gen­de Lärm- und Schad­stoff­be­las­tung von Hun­dert­tau­sen­den von Men­schen im Rhein-Main-Bal­lungs­zen­trum durch die neue Nord-West-Lan­de­bahn wird nach­tei­li­ge Aus­wir­kun­gen nicht nur auf die Lebens­qua­li­tät im All­ge­mei­nen son­dern vor allem auch auf die Erkran­kungs­wahr­schein­lich­keit (Mor­bi­di­tät), die Sterb­lich­keits­wahr­schein­lich­keit bzw. die Lebens­er­war­tung (Mor­ta­li­tät) haben. Die Chan­cen der unter die­sen Bedin­gun­gen auf­wach­sen­den Kin­der und Jugend­li­chen für eine gesun­de geis­ti­ge und kör­per­li­che Ent­wick­lung wer­den sin­ken.

Der mit dem Aus­bau des Frank­furt Air­port ver­bun­de­ne rasan­te Anstieg von CO2 ist ange­sichts der glo­ba­len Kli­ma­er­wär­mung nicht nur für die Betrof­fe­nen im Rhein-Main-Gebiet eine Kata­stro­phe. Die Luft­fahrt ist der mit Abstand am stärks­ten wach­sen­de Pro­du­zent von Treib­haus­ga­sen. Sie pro­fi­tiert von der welt­wei­ten Sub­ven­tio­nie­rung, vor allem von der Steu­er­be­frei­ung auf Kero­sin. Allen Beteue­run­gen um die Vor­bild­rol­le der Bun­des­re­pu­blik bei der Redu­zie­rung der Treib­haus­ga­se spricht die Erwei­te­rung des Frank­fur­ter Flug­ha­fens Hohn. Sie ist aus kli­ma­po­li­ti­scher Sicht ver­ant­wor­tungs­los.

Die hes­si­sche Lan­des­re­gie­rung hat sich bei der Abwä­gung zwi­schen den gesund­heit­li­chen Inter­es­sen der Bevöl­ke­rung im Rhein-Main­ge­biet und den kom­mer­zi­el­len Inter­es­sen der Fra­port-Betrei­ber gegen die Bevöl­ke­rung ent­schie­den, Pro­fit vor Gesund­heit gestellt.

Wir mei­nen, dass es nicht dar­um gehen kann, die Lärm- und Schad­stoff­be­las­tung wei­ter zu erhö­hen, es muss viel­mehr mit der Ver­min­de­rung begon­nen wer­den. Der Rhein-Main-Flug­ha­fen liegt mit­ten in einem Bal­lungs­zen­trum. Wenn es all­ge­mei­ner gesell­schaft­li­cher Kon­sens ist, dass Poli­tik und wirt­schaft­li­ches Wachs­tum dem Men­schen zu die­nen haben und nicht umge­kehrt, dann muss gesund­heit­li­che Vor­sor­ge Vor­rang vor dem Expan­si­ons­drang eines bestimm­ten Indus­trie- und Dienst­leis­tungs­be­reichs haben.

Aus Grün­den vor­beu­gen­den Gesund­heits­schut­zes unter­stüt­zen wir alle Poli­ti­ker, Bür­ger­initia­ti­ven und Kom­mu­nen, die sich zum Kampf gegen eine Aus­wei­tung des Flug­ver­kehrs, für ein kon­se­quen­tes Nacht­flug­ver­bot von 22 Uhr bis 6 Uhr und für die Ein­füh­rung von Lärm­kon­tin­gen­ten ent­schlos­sen haben.

Des Wei­te­ren for­dert der vdää, dass alle inner­deut­schen Flü­ge abge­schafft und durch kom­for­ta­ble Zug­ver­bin­dun­gen mit Ein­check­mög­lich­kei­ten ersetzt wer­den. Damit wür­den eine gro­ße Men­ge an Starts und Lan­dun­gen weg­fal­len.

Dr. Win­fried Beck

(Mit­glied im erwei­ter­ten Vor­stand des vdää)

 



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