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Krankenhauspolitische Aussagen von SPD, CDU/CSU, FDP, Grünen, Linken

Seit vielen Jahren wird unser Gesundheitswesen politisch umgebaut weg von dem Ziel der gesellschaftlichen Daseinsvorsorge hin zu einer Gesundheitswirtschaft, die nach rein betriebswirtschaftlichen Kennzahlen gesteuert wird. Besonders betroffen von dieser Entwicklung sind die deutschen Krankenhäuser, die durch das DRG-Fallpauschalensystem finanziert werden, das ganz offen medizinische Behandlungsentscheidungen dem Einfluss ökonomischer Gewinnanreize unterstellt.
Die Folgen dieser politischen Fehlsteuerung werden immer deutlicher: Krankenhäuser werden als gewinnorientierte Wirtschaftsunternehmen geführt, große börsennotierte Konzerne übernehmen immer mehr Kliniken in privater Trägerschaft, bauen die internen Prozesse um und erhöhen die jährlichen Profite. Diese Gewinne werden erwirtschaftet durch Stellenabbau und massive Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten, außerdem werden nicht ausreichend lukrative Abteilungen geschlossen, auch wenn dadurch die flächendeckende stationäre Grundversorgung insbesondere in ländlichen Regionen ausgedünnt wird.

Das Bündnis Krankenhaus statt Fabrik setzt sich seit Jahren für eine Abkehr von dieser menschenverachtenden Ökonomisierung unserer Krankenhäuser ein. Da viele politische Weichenstellungen auf Bundesebene gestellt werden, sind die bevorstehenden Bundestagswahlen für die künftige Entwicklung der Rahmenbedingungen, unter denen die stationäre Versorgung stattfinden wird, von entscheidender Bedeutung. Wir haben  daher die aktuellen Wahlprogramme der wichtigsten politischen Parteien zu ihren Aussagen zur Krankenhauspolitik überprüft und die politischen Pläne miteinander verglichen. Die Ergebnisse dieser Analyse stellen wir im Folgenden vor und möchten damit auch eine Hilfestellung geben für eine Wahlentscheidung aus sozialpolitischer Perspektive.

SPD

Die SPD äußert sich zu ihren Zielen in der Krankenhauspolitik an mehreren Stellen recht unverbindlich und nebulös. Hier ein paar der Forderungen im Wortlaut:

  • Wir wollen die Renditeorientierung im Gesundheitswesen begrenzen, denn sie wirkt sich negativ auf die Versorgung der Patient*innen und die  Arbeitsbedingungen der Beschäftigten aus.
  • Gewinne, die aus Mitteln der Solidargemeinschaft erwirtschaftet werden, müssen zumindest mehrheitlich wieder in das Gesundheitssystem zurückfließen.
  • Das System der Fallpauschalen werden wir auf den Prüfstand stellen, die Pauschalen überarbeiten und wo nötig abschaffen.
  • Den individuellen Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen werden Fallpauschalen nicht gerecht… Deshalb werden wir die Finanzierung der Kinder- und Jugendmedizin neu strukturieren.

Dagegen stellen wir fest: Die Fallpauschalenfinanzierung ist die Ursache der Ökonomisierung unserer Krankenhäuser und der politische Freibrief, jede stationäre Behandlung nach betriebswirtschaftlichen Interessen auszurichten. Krankenbehandlung als gemeinwohlorientierte Daseinsvorsorge zu organisieren, setzt daher ein Gewinnverbot und die vollständige Abschaffung der Fallpauschalenfinanzierung voraus.

Auch zur sektorenübergreifenden Versorgung zwischen den ambulanten und stationären  Angeboten sind die Wahlaussagen der SPD sehr ungenau:

  • Wir brauchen eine stärkere Öffnung von Krankenhäusern für die ambulante und für teambasierte Formen der Versorgung. Dienstleistungen können dann von niedergelassenen Teams und Krankenhäusern gemeinsam erbracht werden.

In dieser nebulösen Formulierung ist deutlich die Absicht zu erkennen, alles zu vermeiden, was die verschiedenen Akteure der ambulanten und stationären Versorgung vor den Kopf stoßen könnte. Konkrete Schritte, wie das angesprochene Ziel der Öffnung der Sektorengrenzen erreicht werden soll, bleiben daher im Dunkeln.

Aussagen zur Förderung der Pflegeberufe in Kranken- und Altenpflege finden sich an mehreren Stellen im Programm:

  • Professionelle Pflege ist ein höchst anspruchsvoller Beruf. Gute Arbeitsbedingungen und vernünftige Löhne sind dafür eine wichtige Grundlage. Maßnahmen zur Überwindung des Personalmangels dürfen nicht dazu führen, dass die Stellen in der Pflege abgewertet werden.
  • Wir wollen die Lohn- und Arbeitsbedingungen in der Altenpflege und Pflege von Menschen mit Behinderung schnell verbessern. Wir werden über die Pflegemindestlohnkommission eine weitere Erhöhung der Mindestlöhne verfolgen. Unser Ziel sind allgemeinverbindliche Branchentarifverträge.
  • … werden wir…. die Refinanzierung der Pflegeleistungen an die Geltung von Tarifverträgen binden. 
  • Soziale Arbeit aufwerten heißt für uns auch, dass die Arbeits- und Stressbelastung gesenkt werden muss. Wir werden deshalb den Vorschlag eines neuen, bundesweiten und einheitlichen Personalbemessungsrahmens voranbringen.

In der Formulierung der letzten Forderung bleibt offen, ob damit gesetzliche Personaluntergrenzen oder der Vorschlag von Verdi, DKG und DPR für die Einführung einer PPR 2.0 gemeint ist. Hier liegt aber nach unserer Einschätzung der entscheidende Unterschied: Nicht gesetzliche Personaluntergrenzen, die lediglich die 10 bis 25%  der Kliniken  mit den niedrigsten Personalschlüsseln sanktionieren, schaffen bessere Arbeitsbedingungen, sondern nur die Anwendung einer am wirklichen Bedarf orientierten Personalbemessungsmethode, wie dies in dem Vorschlag der PPR 2.0 vorgesehen ist.

Unverändert bleibt im Programm der SPD das Bekenntnis zur Bürgerversicherung:

  • Wir werden eine Bürgerversicherung einführen. Das bedeutet: Gleich guter Zugang zur medizinischen Versorgung für alle, eine solidarische Finanzierung und hohe Qualität der Leistungen.

Keine Aussage ist allerdings zu finden zu so konkreten Fragen wie: Wer soll Mitglied der Bürgerversicherung werden? Wird es weiter eine Beitragsbemessungsgrenze geben? Werden parallel noch private Krankenversicherungen existieren?

CDU

Die CDU hat zur Frage der Bürgerversicherung eine klare Meinung:

  • Eine umfassende Versorgung der Bürgerinnen und Bürger und den Erhalt unseres sehr guten Gesundheitssystems erreichen wir mit der bewährten Selbstverwaltung, der freien Arzt- und Therapiewahl sowie mit dem Zusammenspiel von gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen. Eine Einheitsversicherung und Schritte dahin lehnen wir ab.

Mit der CDU/CSU in der Regierungsverantwortung wird es also dabei bleiben: Wer genug verdient, kann sich aus der Solidarität, die das Konstruktionsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung darstellt, verabschieden und es sich in der ersten Klasse der Zweiklassenmedizin weiter bequem machen. Ganz ausgeblendet wird dabei, dass es auch Verlierer in diesem System der privaten Krankenversicherung gibt: Kinder werden in diesem System nicht kostenfrei mitversichert, auch für sie sind Beiträge zu entrichten, die im Falle schwerer teilweise angeborener Erkrankungen versicherungsmathematisch berechnet werden und junge Familien in existentielle Not bringen können. Und trotz der eingeplanten Altersrückstellungen können die Beiträge zur privaten Krankenversicherung im Rentenalter stark steigen, wenn sich chronische Krankheiten einstellen, die einen hohen Behandlungsbedarf verursachen.

Pauschal sind die sehr knappen Aussagen zur sektorenübergreifenden Versorgung:

  • In einem zukunftsfähigen Gesundheitswesen setzen wir deshalb auf stärkere vernetzte Zusammenarbeit der einzelnen Akteure….

An diesem Ziel sind in den letzten Jahrzehnten alle Regierungen gescheitert, denn gerade auf diesem Politikfeld tummeln sich mächtige Lobbygruppen, die sich mit allen Mitteln gegen eine wirksame und gemeinwohlorientierte Vernetzung der Sektoren wehren bzw. diese allenfalls nach privaten und Profitinteressen öffnen wollen. Wie überall in Bereichen der Daseinsvorsorge rächt es sich, dass über Jahrzehnte hinweg unser Gesundheitswesen umgebaut worden ist zu einer Gesundheitswirtschaft mit divergierenden Profitinteressen. Da gerät dann das Gemeinwohl der ganzen Gesellschaft ins Hintertreffen.

Die Ziele zur Krankenhauspolitik im Wahlprogramm der CDU sind noch vager als bei anderen Parteien:

  • Wir wollen, dass die Ziele einer bedarfsgerechten und flächendeckenden Grund- und Regelversorgung in der Krankenhausplanung und insbesondere in der Krankenhausfinanzierung wesentlich stärker berücksichtigt werden, gerade mit Blick auf den ländlichen Raum.
  • Gleichzeitig wollen wir im Interesse der Patientensicherheit für komplexe Behandlungen eine stärkere Bündelung entsprechender klinischer Angebote.

Hier fehlen konkrete Vorschläge, wie eine künftige Krankenhausplanung gestaltet werden soll, damit die flächendeckende Grund- und Regelversorgung garantiert werden kann. Keine Aussagen findet sich bei der CDU zu Problemen der Krankenhausfinanzierung, das Thema kommt als politisches Problem gar nicht vor.

Der Situation in der Pflege widmet das CDU – Wahlprogramm größeren Raum und stellt dabei folgende Forderungen:

  • Wir wollen die Trägervielfalt in der Pflege als Ausdruck einer pluralen Gesellschaft stärken. Auch hier erhoffen wir uns vom Wettbewerb bessere Angebote. 
  • Wir wollen die Pflegebereiche als Berufsgruppe an der Selbstverwaltung im Gesundheitsrecht beteiligen, indem wir uns für die Einrichtung einer Bundespflegekammer einsetzen.
  • Wir werden prüfen, wie wir das Instrument der betrieblichen Pflegezusatzversicherung stärken und staatlich fördern können.
  • Um mit Blick auf den demografischen Wandel künftig unverhältnismäßig steigenden  Beiträgen in der Pflegeversicherung entgegenzuwirken, wollen wir den Pflegevorsorgefonds bis 2050 verlängern.
  • Wir setzen uns für eine Dynamisierung des Pflegegeldes ein und befürworten die Einführung einer Regeldynamisierung für alle Leistungen auf Grundlage der Lohnentwicklung.
  • Wir stehen neuen Wohn- und Betreuungsformen aufgeschlossen gegenüber und werden deren Einführung unterstützen.
  • Wir setzen uns dafür ein, die bisherigen Leistungen für Angebote der Kurzzeit- und  Verhinderungspflege sowie Betreuungsleistungen zu einem Budget zusammenzufassen.
  • Deshalb werden wir die Länder und Kommunen darin unterstützen, quartiersbezogene und sektorenübergreifende Versorgungskonzepte umzusetzen.

Die Trägervielfalt, die in der Krankenhauspolitik über Jahrzehnte die Fehlentwicklungen mit Unter-, Fehl- und Überversorgung verschärft hat, soll nach dem Willen der CDU/CSU auch im Bereich der Altenpflege nicht angerührt werden. Mit ca. 60% privater Pflegeheimbetreiber ist die Profitorientierung hier noch mehr auf die Spitze getrieben. All die Skandale über menschenunwürdige Pflegebedingungen, die in den letzten Jahren ans Licht gekommen sind und auch durch die bisherigen Prüfmethoden des MdK nicht verhindert werden konnten, konterkarieren das hohe Lied auf den Wettbewerb, in das die CDU/CSU auch in ihrem aktuellen Wahlprogramm einstimmt.

FDP

Die FDP stellt zur Frage der Entwicklung der Krankenkassen den Status quo als leicht verbesserungswürdigen Idealzustand dar:

  • Mündige Bürger auch in der Krankenversicherung: Wechsel zwischen GKV und PKV vereinfachen, mehr Wettbewerb zwischen Kassen ermöglichen

Zur Krankenhauspolitik sind folgende Aussagen im Wahlprogramm der FDP zu finden:

  • nachhaltige Verbesserung der Investitionsfinanzierung für  maximalversorgende und kleinere spezialisierte Krankenhäuser
  • höhere Qualität muss durch das Vergütungssystem belohnt werden
  • Dazu wollen wir den gesetzlichen Spielraum für Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern ausweiten
  • Fehlanreize für eine Überversorgung und ein Überangebot an Krankenhausleistungen sollen bereinigt werden
  • Abkehr von den Pflegepersonaluntergrenzen; wir brauchen geeignetes Instrument wie die PPR 2.0
  • Eine Einschränkung oder ein pauschales Verbot der Zeitarbeit lehnen wir ab
  • eine „Bepreisung“ der Bürokratie- und Berichtspflichten; bezahlen soll sie künftig derjenige, der sie anfordert

Unausgesprochen sprechen diese Forderungen für eine Konzentration auf große Maximalversorger und kleinere spezialisierte Kliniken, das sind in der Regel sehr profitable Fachkliniken in privater Trägerschaft. Diese politischen Forderungen führen letztlich zu einer Schließung kleiner Krankenhäuser, vor allem solcher der Grundversorgung im ländlichen Raum.

Zur Krankenhausfinanzierung findet sich nur die Aussage, höhere Qualität müsse durch das Vergütungssystem belohnt werden. Das ist etwas verdeckt formuliert die Fortentwicklung des DRG-Fallpauschalensystems zu echten Marktpreisen durch die Zulassung von sogenannten Selektivverträgen der Krankenkassen mit ausgewählten Krankenhäusern und bedeutet damit eine weitere Verschärfung des Ökonomisierungszwangs im klinischen Alltag.
In der Pflege bekennt sich die FDP zur Einführung eines differenzierten Bemessungsinstruments und lehnt Pflegepersonaluntergrenzen als ungeeignete Maßnahme zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege ab.

Die Aussagen der FDP zur Förderung einer sektorenübergreifenden Versorgungsstruktur bleiben sehr allgemein, konkrete politische Schritte hin zu diesem Ziel sind in dem Wahlprogramm nicht zu finden.

Bündnis 90 / Die Grünen

Die Grünen plädieren in ihrem Wahlprogramm ebenfalls für ein differenziertes Bemessungsinstrument, um den Pflegebedarf in Kliniken und Pflegeheimen zu ermitteln, stellen darüber hinaus aber für den Bereich der Pflege weitere konkrete Forderungen:

  • Wir wollen eine verbindliche Personalbemessung – auch in der Langzeitpflege,
  • mehr eigenverantwortliche Arbeit von Fachkräften,
  • die Einführung der 35-Stunden-Woche in der Pflege,
  • Ausnahmen im Arbeitszeitgesetz für den Gesundheitsbereich beschränken,
  • Wir wollen die gesetzliche Pflegeversicherung verpflichten, nur noch mit Anbietern zusammenzuarbeiten, die nach Tarif bezahlen.
  • Mit einer doppelten Pflegegarantie wollen wir die Eigenanteile schnell senken und dauerhaft deckeln. Selbst aufzubringende Kosten sollen verlässlich planbar werden. Die  Pflegeversicherung soll alle über diesen Betrag hinausgehenden Kosten für eine bedarfsgerechte Pflege tragen
  • Wir wollen die rechtlichen Rahmenbedingungen für Quartierspflege schaffen und den Kommunen ermöglichen, eine verbindliche Pflegebedarfsplanung vorzunehmen, um das Angebot an Pflege vor Ort zu gestalten
  • Leistungen der Pflegeversicherung sollen bedarfsgerecht, wohnformunabhängig und als persönliches Budget verfügbar sein
  • Mit der Einführung einer PflegezeitPlus wollen wir allen Erwerbstätigen, die Angehörige, NachbarInnen oder Freunde pflegen, eine Lohnersatzleistung gewähren, die bei dreimonatigem Vollausstieg und dreijährigem Teilausstieg, die pflegebedingte Arbeitszeitreduzierungen finanziell abfedert.
  • Einflussmöglichkeiten der professionellen Pflege und ihre Strukturen auf Bundesebene stärken, beispielsweise durch eine Bundespflegekammer und vor allem durch starke Mitspracherechte im Gemeinsamen Bundesausschuss

Durch dieses pflegepolitische Programm sollen nicht nur die Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte verbessert werden, auch die Rechte und Wahlmöglichkeiten der Pflegebedürftigen werden gegenüber dem derzeitigen Stand deutlich gestärkt. Ob eine Pflegekammer die politischen Einflussmöglichkeiten der Pflegeberufe tatsächlich befördert oder gar die gewerkschaftliche Interessenwahrnehmung schwächt, muss politisch diskutiert werden, überschreitet aber den Rahmen dieser thematisch fokussierten Analyse der Wahlprogramme durch unser Bündnis Krankenhaus statt Fabrik.

Ähnlich wie SPD und Linke wollen Bündnis 90/Die Grünen eine solidarische Bürgerversicherung einführen. Detaillierter als die SPD benennt das grüne Wahlprogramm aber die Bevölkerungsgruppen, die Teil der Bürgerversicherung werden sollen, und auch die Einkommensarten, aus denen Beiträge zur Krankenversicherung bezahlt werden sollen. Ausdrücklich ist im Wahlprogramm der Zugang von Menschen ohne Papiere zu den Leistungen der Gesundheitsdienste mit Hilfe eines anonymen Krankenscheins verankert. Unbeantwortet bleibt allerdings auch bei den Grünen die Frage, ob eine Beitragsbemessungsgrenze beibehalten und wenn ja wie diese gestaltet werden soll:

  • jede*r bekommt unabhängig vom Einkommen die Versorgung, die er oder sie braucht
  • Alle, auch Beamte, Selbständige, Unternehmer*innen und Abgeordnete beteiligen sich mit einkommensabhängigen Beiträgen
  • neben Löhnen und Gehältern sollen Beiträge auf Kapitaleinkommen erhoben werden
  • Mit einer solidarischen Pflege-Bürgerversicherung wollen wir dafür sorgen, dass sich alle mit einkommensabhängigen Beiträgen an der Finanzierung des Pflegerisikos beteiligen
  • anonymen Krankenschein für Menschen ohne Papiere; Abschaffung der Mitteilungs- und Unterrichtungspflichten an öffentlichen Stellen

In der Krankenhauspolitik finden sich folgende Aussagen im grünen Wahlprogramm:

  • Kliniken sollen deshalb in Zukunft nicht mehr nur nach Fallzahl, sondern auch nach ihrem gesellschaftlichen Auftrag finanziert werden. Dafür braucht es ein neues Finanzierungssystem, das eine starke Säule der Strukturfinanzierung beinhaltet.
  • Vorgaben zur Personalbemessung, Behandlungs- und Versorgungsqualität sollen eine qualitativ hochwertige und bedarfsgerechte Versorgung sichern
  • Bund und Länder sollen die Investitionskosten gemeinsam tragen
  • Es braucht eine verbindlichere Landeskrankenhausplanung, die die öffentlichen Versorgungsinteressen an Grund-, Schwerpunkt- und Maximalversorgung definiert. Der Bund soll die Möglichkeit haben, dafür gemeinsame bundesweite Grundsätze für die Krankenhausplanung zu definieren.

Dieser Forderungsmix trennt – insbesondere nach den Erfahrungen während der Coronapandemie – eine fallzahlabhängige Finanzierung der Behandlung von der finanziellen Absicherung der Krankenhäuser bezogen auf Vorhaltekosten und ihren gesellschaftlichen Auftrag der Daseinsvorsorge. Der Anreiz des Fallpauschalensystems zur Gewinnerzielung und Fehlsteuerung mit gleichzeitiger Über- und Unterversorgung aus ökonomischen Gründen wird nicht detailliert benannt. Daher bleibt das Finanzierungssystem im Wahlprogram der Grünen auch unangetastet und soll lediglich in Teilen reformiert werden.

Klar ist das Bekenntnis zur dualen Krankenhausfinanzierung mit dem Vorschlag, den Bund an den Investitionskosten zu beteiligen, um eine angemessene Höhe der Investitionskostenförderung zu erreichen.

Die getrennten Versorgungsstrukturen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung sollen nach dem Willen von Bündnis 90/Die Grünen zu einem sektorenübergreifenden Angebot zusammengeführt werden. Diese Vision wir konkretisiert durch Schritte zur regionalen Planung solcher Angebote, durch eine perspektivisch einheitliche Vergütung der Leistungen und durch die Planung berufsübergreifender gemeinwohlorientierter Gesundheitszentren, die über das bisherige Konzept der Medizinischen Versorgungszentren, wie sie schon heute betrieben werden, weit hinausgehen.

Die Linke

Die Linke wendet sich in ihrem Wahlprogramm stärker als alle anderen Parteien gegen die Ökonomisierung in allen Bereichen des Gesundheitswesens und fordert als einzige Partei auch Schritte, die bereits eingetretene Privatisierungen von Gesundheitseinrichtungen wieder rückgängig zu machen, um dem  gesellschaftlichen Auftrag zur Daseinsvorsorge wieder Geltung zu verschaffen. Im einzelnen finden sich folgende Aussagen zur Situation in der Kranken- und Altenpflege:

  • 100 000 Pflegekräfte mehr in den Krankenhäusern und 100 000 Pflegekräfte mehr in den Pflegeheimen und 500 Euro mehr Grundgehalt!
  • Wir brauchen eine gesetzliche Personalbemessung für alle Berufe im Krankenhaus und in Pflegeeinrichtungen!
  • Für die Rücknahme von Ausgliederungen und Privatisierungen (etwa der Küchen- und Reinigungsdienstleistungen oder der Logistik). Es muss gelten: Ein Haus, ein Tarif!
  • Der Pflegevorsorgefonds soll in einen Pflegepersonalfonds umgewandelt werden
  • Medizinische Behandlungspflege, auch in stationären Pflegeeinrichtungen, muss von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden
  • Der gesetzlich verankerte Anspruch auf Gewinn, der sogenannter „Risikozuschlag“, für den der Staat im Zweifel bezahlt, muss ersatzlos gestrichen werden
  • Pflegeeinrichtungen müssen gemeinwohlorientiert arbeiten.
  • Für eine umfassende Planung der Pflegelandschaft wollen wir eine Pflegebedarfsplanung analog zur Krankenhausbedarfsplanung einführen.
  • Durchsetzung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen für alle Pflegekräfte

Als einzige Partei tritt die Linke für die komplette Umstellung der Krankenhausfinanzierung ein. Hier die krankenhauspolitischen Forderungen im Einzelnen:

  • Wir fordern die Abschaffung der Fallpauschalen! Die Betriebskosten müssen von den Krankenkassen vollständig refinanziert werden
  • Gewinnverbot für Krankenhäuser
  • Wir fordern einen Fonds des Bundes zur Rekommunalisierung, um eine weitere Privatisierung zu verhindern und  Entprivatisierungsbestrebungen zu unterstützen

Ähnlich wie die SPD und die Grünen fordert die Linke auch eine solidarische Bürgerversicherung für die Kranken- und Pflegeversicherung, tritt aber anders als die anderen Parteien auch für eine Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze ein:

  • Solidarische Gesundheitsvollversicherung
  • Alle zahlen ein, Beiträge werden auf alle Einkommen erhoben
  • Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze
  • Wir wollen die Trennung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung abschaffen
  • Wir fordern, dass alle in Deutschland lebenden Menschen notwendige gesundheitliche Leistungen uneingeschränkt erhalten

Die Forderungen zur Pflegepolitik werden in einem eigenen Katalog des Wahlprogramms wie folgt zusammengefasst:

  • Die private Pflegeversicherung muss in die gesetzliche überführt werden. Die finanziellen Lasten müssen gerecht auf allen Schultern verteilt werden: auch Beamt*innen, Abgeordnete und Selbstständige müssen entsprechend ihrem Einkommen in die Solidarische Pflegevollversicherung einzahlen – ohne eine Beitragsbemessungsgrenze
  • Unsere Solidarische Pflegevollversicherung deckt alle pflegerischen Leistungen ab. Menschen mit Pflegebedarf und ihre Familien müssen keine Eigenanteile zahlen
  • Wir wollen sechs Wochen Freistellung bei vollem, arbeitgeberfinanzierten Lohnausgleich beim ersten Auftreten eines familiären Pflegefalls
  • Rechtsanspruch auf familiengerechte Arbeitszeiten für alle, die Verantwortung in Erziehung und Pflege übernehmen

Für den ambulanten Bereich setzt die Linke auf eine Stärkung der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ), wendet sich aber gleichzeitig gegen eine Trägerschaft solcher MVZ durch große gewinnorientierte Finanzkonzerne:

  • Wir wollen die Arztsitze gleichmäßiger verteilen und eine sektorenübergreifende Bedarfsplanung einführen.
  • Regionale Versorgungszentren sollen mittelfristig zum Rückgrat des ambulanten Sektors werden.
  • Wir wollen Kommunen unterstützen, eigene Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen zu betreiben und so die Versorgung zu sichern
  • Durch den Betrieb von Medizinischen Versorgungszentren versuchen sich Konzerne Profitmöglichkeiten im ambulanten Bereich zu schaffen. Diese Entwicklung wollen wir rückgängig machen.

Fazit

Diese vergleichende Darstellung der Wahlprogramme der verschiedenen Parteien adressiert bewusst nur deren gesundheitspolitische Aussagen und beschränkt sich auch in diesem Bereich weitgehend auf solche Themen, die im Fokus unserer politischen Arbeit stehen. Wir sehen unsere Aufgabe in der Aufbereitung relevanter Informationen, die allen an Gesundheits- und speziell Krankenhauspolitik Interessierten Menschen die Orientierung in diesem komplexen und aktuell sehr kontroversen politischen Themenfeld erleichtern sollen. Wir haben uns auf die Wahlprogramme der im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien beschränkt.

04.09.2021


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