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Pressemitteilung zu den Vorschlägen von Lobbyist Raffelhüschen

Wer schon etwas älter ist und die Debatte verfolgt, kennt diese Formen des Klassenkampfs von oben. Schon 1976 Hatte Heiner Geissler mittels einer Studie prophezeit, dass die Beitragssätze 1980 bei 14,5 Prozent und im Jahr 2000 bei phantastischen 79 Prozent liegen würden (2) – wenn man nicht Reformen der GKV durchsetzen würde, die eine ähnliche Richtung wie Raffelhüschens haben. Im Jahr 2000 hat die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in einem „Memorandum – Gesundheitswesen modernisieren und bezahlbar machen“ für die Jahre 2030 bzw. 2040 Beitragssätze von bis zu 30 Prozent vorausgesagt (3) im wohlverstandenen Eigeninteresse, die so genannten Lohnnebenkosten zu senken. In der Folge sorgte die Politik dafür, dass das Solidaritätsprinzip der Gesetzlichen Krankenkassen immer weiter ausgehöhlt wurde.

Angesichts der Finanzentwicklung mit einem Defizit in der GKV von mehreren Milliarden Euro fällt dem Ökonomen nun nichts anderes ein, als eine „Kostenexplosion“ mittels des BILD-Zeitung an die Wand zu malen und die Individuen zur Kasse zu bitten, indem er an die „Eigenverantwortung“ appelliert. Wie aber will er diese nachweisen? Krankheiten sind nicht so individualisierbar, wie sich das der Ökonom vorstellt. Giftige Gase in der Fabrikhalle, Feinstaub im Straßenverkehr, Zigarettenrauch – wie will man nachweisen, was den Lungenkrebs ausgelöst hat? Skilanglauf oder Abfahrtski auf der schwarzen Piste – was ist gesund für das Herzkreislaufsystem, was ist riskanter Risikosport?

Wir demokratische Ärzt*innen halten das aus medizinischer Sicht für unredlich, aus sozialer und politischer Sicht für rückschrittlich. Wir halten dagegen und verteidigen das Prinzip der Solidarität der Gesetzlichen Krankenversicherung, das auch darin besteht, dass eben nicht gefragt wird nach der individuellen vermeintlichen Schuld an Krankheit oder Verletzung. Dies ist eine zivilisatorische Errungenschaft, die wir unbedingt verteidigen müssen. Und am besten verteidigen wir die Solidarität, indem wir sie ausweiten – statt sie einzuschränken!

Eine konsequente solidarische Bürger*innenversicherung, die alle Einkommen und Einkommensarten in voller Höhe für den Beitrag heranzieht und alle hier lebenden Menschen einbezieht (also die private Vollversicherung und die Beitragsbemessungsgrenze abschafft), würde den in dieser Gesellschaft existierenden Reichtum solidarisch für die Aufbringung der Kosten im Gesundheitswesen heranziehen. Das hätte sogar den Effekt, dass die Beitragssätze sinken könnten ohne dass Leistungen gestrichen werden würden.

Dr. Nadja Rakowitz Pressesprecherin des vdää*

1) Vgl. https://www.spiegel.de/wirtschaft/kassenpatienten-sollen-bis-zu-2000-euro-selbstbeteiligung-bezahlen-a-08c51bcd-e488-4acc-bd99-e66541544329

2) Vgl. Heiner Geissler, Ministerium für Soziales, Gesundheit und Sport (Hrsg.), Krankenversicherungs-Budget ’80, 1976

3) Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (Hrsg.), Memorandum – Gesundheitswesen modernisieren und bezahlbar machen, Berlin 2000

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