Zu Teilzeit‐Krankschreibung und telefonischer Krankschreibung
Die steigende Zahl der Krankentage in Deutschland führt zu nicht haltbaren Vorschlägen seitens der FDP und der Bundesärztekammer (BÄK). Die Vorschläge der BÄK zur Teilzeit‐AU (Arbeits‐Unfähigkeit) und der FDP‐Vorstoß zur Abschaffung der telefonisch auszulösenden Krankschreibung suggerieren, dass in Deutschland die Arbeitnehmer*innen leichtfertig „krank machen“ und Ärzt*innen leichtfertig Arbeitsunfähigkeit bescheinigen. Deshalb müssten die Hürden höher liegen und Kontrollen in den Arztpraxen seien notwendig.
An diesen Behauptungen muss einiges gerade gerückt werden, denn das Gegenteil ist der Fall: Untersuchungen (1, 2) zeigen die zunehmende Tendenz zum Präsentismus, also zum Arbeiten trotz Krankheit. Das hat verschiedene Gründe ‐ unter anderem die Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes: „Statt die angeblich faulen Arbeiter*innen und Angestellten zu maßregeln, sollten sich die BÄK und die FDP für eine humane, gesundheitserhaltende Arbeitswelt einsetzen“, so vdää*‐Vorstandsmitglied Michael Janßen. Prekäre Arbeitsverträge und die Befürchtung, den Kolleg*innen unter Personalmangel noch mehr Arbeit zu überlassen, führen letztlich auch zu verschleppten und dann chronischen Krankheiten. Ein Anteil von 35% der Diagnosen bei AU geht inzwischen auf die Krankheitsarten psychische Störungen und Krankheiten des Bewegungsapparates zurück (3, 4). Hingegen sind Teilzeit‐AU und telefonische AU, wenn überhaupt, vorwiegend für nicht chronische Krankheiten geeignet, wie z.B. akute Infektionen.
Im Übrigen kann jede AU vom Arbeitgeber durch den Medizinischen Dienst (MD) überprüft werden, um Missbrauch einzuschränken. Die AU nur für einige Stunden oder Tätigkeiten ist vom Bundesarbeitsgericht schon mehrfach (Urt. 2.11.2016, Az. 10 AZR 596/15, Rn. 31) als nicht rechtmäßig beurteilt worden. Unklar bleibt, wie ohne größeren Aufwand die zumutbare Stundenzahl und die (Un‐)Fähigkeit für einzelne Tätigkeiten von ärztlicher Seite festgestellt werden soll. „Wie soll ein Bauarbeiter nicht für 8 Stunden außerhalb, aber für leichte Büroarbeit für 4 Stunden eingesetzt werden?“, zweifelt Dr. Nadja Rakowitz, Pressesprecherin des vdää* die Umsetzung dieses Vorschlags an.
Es bleibt bei populistischen Nebelkerzen, deren Umsetzung sicher nicht zur Reduktion der AU‐Tage führen wird, aber die Stimmung verschlechtert und den Druck auf Arbeitnehmer*innen erhöht. Stattdessen braucht es aus der Erfahrung des vdää* mehr betriebliche Gesundheitsförderung und weniger prekäre Arbeitsverhältnisse.