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Offener Brief des vdää* zur Situation in Syrien

Maintal, 20.12.2024

Sehr geehrte in Deutschland lebende Syrer*innen, liebe Kolleg*innen in Gesundheitsberufen,

der Verein demokratischer Ärzt*innen freut sich gemeinsam mit Ihnen über den Sturz des Assad-Regimes. Die verschütteten Hoffnungen auf Demokratisierung, die durch den Beginn der Revolution 2011 gesät worden waren, wurden nun wiedererweckt. Das unermessliche Leiden der Menschen in Syrien, auf ihrer Flucht und im Exil wird nicht rückgängig gemacht. Und gerade deswegen hoffen wir mit Ihnen, dass aus den nun wieder aufblühenden Hoffnungen eine selbstbestimmte und friedliche Zukunft für alle in Syrien lebenden Menschen wachsen kann, ohne dass diese Hoffnung direkt wieder durch das Machtstreben einzelner Gruppen oder ausländische Militärinterventionen zunichte gemacht wird.

Umso abscheulicher ist die Diskussion über den Verbleib der geflüchteten Syrer*innen in Deutschland, die aufgeflammt war, noch bevor Assads Jet in Moskau gelandet war. Zeigt es doch, dass die in Deutschland herrschenden Politiker*innen Sie und andere Menschen aus Syrien lieber heute als morgen wieder loswerden wollen oder diese Hetze gegen Sie nutzen, um ihre Macht zu festigen, um Wahlen zu gewinnen. Uns ist dabei bewusst, dass es besonders hart Menschen betrifft, die weniger angesehene oder gerade im deutschen Arbeitsmarkt gefragte Berufe ausüben oder arbeitslos sind. Die AfD und ihre rechtsextremen Verbündeten unterscheiden sich von den regierenden Parteien bei dieser Stimmungsmache oft nur in der Wortwahl.

Viele von Ihnen haben im hiesigen Gesundheitswesen einen beruflichen Platz an unserer Seite gefunden. Sie haben dabei viele Hürden überwunden und unsere helfenden Berufe mit Ihrer Arbeit bereichert. Dafür verdienen Sie Respekt und nicht weitere Herabwürdigung.

Wenn Sie nun darüber nachdenken, bald oder auch erst später nach Syrien zurückzukehren und am Aufbau eines neuen Gesundheitswesens mitzuarbeiten, so wünschen wir Ihnen dabei viel Glück und Erfolg. Falls Sie Ihre in Deutschland erworbenen Fähigkeiten und Erfahrungen dort anwenden können, so ist das ein sehr zu begrüßender braindrain. Wir hoffen sehr, dass die in Teilen der deutschen Bevölkerung vorhandene feindselige Haltung nicht der Grund für solche Überlegungen ist und dass sie diese Entscheidung frei treffen können.

Seien Sie sich aber gewiss: Die Mehrheit der Kolleg*innen im Gesundheitswesen teilt die Ressentiments und Xenophobie nicht. Diese Kolleg*innen wissen, dass Menschen aus Syrien genauso ein Teil dieser Gesellschaft in Deutschland sind wie sie selbst. Und das sehen nicht nur die so, die selbst von ähnlicher Ausgrenzung betroffen sind. Die Menschen in und aus Syrien sind so unterschiedlich wie die Menschen in und aus Deutschland. Uns vereint der Wunsch nach Freiheit und Selbstbestimmung und viele haben von der Revolution in Syrien gelernt, was es heißt, dafür kämpfen zu müssen und was es heißt, dafür bestraft zu werden und sich trotzdem wieder aufzurichten. Wir sind froh, auch weiterhin an Ihrer Seite arbeiten zu können, und stehen Ihnen zur Seite gegen alle Versuche, Sie aus unserer Mitte zu vertreiben.

Wir Beschäftigte im Gesundheitswesen sollten zusammenhalten, egal woher wir kommen oder welcher Berufsgruppe wir angehören – gerade jetzt, wo uns Hetze und Misstrauen spalten sollen. Es gibt genug Probleme im Gesundheitswesen, für deren Lösung wir Zusammenhalt und Solidarität brauchen.

Dr. Nadja Rakowitz, Pressesprecherin

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