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Pressemitteilung des Bündnis Krankenhaus statt Fabrik

Wir fordern: Der Sicherstellungsauftrag für die Kassenärztlichen Vereinigungen wird abgeschafft. Die gemeinsame Planung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung muss Landesaufgabe sein. Sie muss in den Versorgungsregionen und demokratisch – unter Beteiligung aller Betroffenen – erfolgen. Dabei gilt: zuerst wird der Bedarf ermittelt, dann wird festgelegt, wo und wie viele Krankenhäuser mit welchen Fachabteilungen, mit welchen Levels und Leistungsgruppen und mit wie vielen Betten notwendig sind. Dann werden für alle bedarfsgerechten Krankenhäuser die notwendigen Kosten refinanziert.

2.

Die Kommission will die Ambulantisierung darüber vorantreiben, dass die Einnahmen der Krankenhäuser um einen normativ (willkürlich) festgelegten Betrag gekürzt werden.

Wir sagen: Ambulante Versorgung, immer wenn es möglich ist. Die Entscheidung darüber darf ausschließlich zwischen Arzt*in und Patient*in erfolgen. Dabei müssen soziale, individuelle und versorgungsrelevante Erwägungen den Ausschlag geben. Der Medizinische Dienst darf kein Prüfrecht dieser Entscheidung haben. Gegenwärtig gibt es die strukturellen Voraussetzungen für eine breite ambulante Versorgung nicht. Bevor diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, darf es keine willkürlich festgelegte Quote für die Ambulantisierung mit entsprechenden Abzügen geben. Sie bedeutet noch mehr finanziellen Druck auf die Krankenhäuser und eine Verschlechterung der Versorgung für die Patient*innen.

Wir fordern: Schaffung der strukturellen Voraussetzungen für eine bessere ambulante Versorgung. Die Krankenhäuser müssen für die ambulante Behandlung geöffnet werden.

3.

Die Kommission will kleine Krankenhäuser schließen oder in sog. „Level Ii-Häuser“ umwandeln.

Wir sagen: Das sind dann keine Krankenhäuser mehr, sondern Pflegeheime mit etwas zusätzlicher ärztlicher Betreuung, jedoch ohne Pflegepersonalbemessung, wie sie in Krankenhäusern gilt. Sie haben keine Notaufnahmen und keine Überwachungsbetten. Sie nützen nichts für die Notfallversorgung ländlicher Gebiete. Mit dem Konzept der Regierungskommission werden sie zu einem Einfallstor für private Geschäftemacherei von niedergelassenen Ärzt*innen, oder sogar für Kapitalgesellschaften. Damit erfolgt ein weiterer Schritt von Einrichtungen der Daseinsvorsorge in öffentlicher Trägerschaft hin zu Privatisierungen und zum privaten Wirtschaften.

Wir fordern: Ambulante Versorgungszentren als Einrichtung der Krankenhäuser und betrieben mit gemeinsamem Personal. Sie müssten gleichmäßig in der Versorgungsregion verteilt sein und ermöglichen eine bessere Qualität sowie den Erhalt der Flächendeckung. Solche ambulanten Versorgungszentren wären erste Anlaufstellen für die Notfallversorgung. Sie hätten Überwachungsbetten und Eingriffsräume sowie alle notwendigen diagnostischen Einrichtungen. Die wichtigen medizinischen Fachrichtungen wären auf Facharztniveau 24/7 vorhanden. Sie wären zusätzlich telemedizinisch an ein Krankenhaus des Levels I oder II angebunden. Genau durch diese Einrichtungen wäre die Verknüpfung ambulant-stationär geschaffen und außerdem wäre durch dieses Konzept auch die fachlich hochwertige ambulante Versorgung auf dem Land sichergestellt.

4.

Die Kommission will keine Erweiterung der Bettenkapazitäten in den verbleibenden Krankenhäusern, auch wenn viele kleine Krankenhäuser geschlossen werden.

Wir sagen: Gegen einen weiteren Bettenabbau sprechen folgende Argumente:

• Die Verweildauer wird derzeit falsch berechnet. Durch die Verwendung der „Mitternachtsstatistik“ fällt bei jedem Patienten der Entlassungstag statistisch unter den Tisch. Das macht ca. 15% mehr Belegungstage aus. Damit ist auch die Auslastung der Krankenhausbetten höher als in den Statistiken ausgewiesen.

• Die rechnerisch geringere Belegung von Krankenhaus-Planbetten als vor der Pandemie beweist nicht, dass es zu viele Betten gibt, wie von Gesundheitsökonomen behauptet. Vielmehr gibt es zu wenig Personal. An sehr vielen Kliniken sind die „betreibbaren“ Betten voll belegt und Patient*innen müssen abgewiesen werden.

• Hinzu kommt, dass die Entlassungsentscheidung immer auch eine ökonomische Entscheidung ist. Schon jetzt ist der ökonomische Druck hoch, Patient*innen möglichst früh zu entlassen, denn kürzere Liegezeiten bedeuten im DRG-Fallpauschalensystem weniger Kosten bei gleichen Einnahmen und damit mehr Gewinn. Man muss gar nicht die „blutige“ Entlassung bemühen. Es reicht schon die Belastung der Patienten und ihrer Angehörigen, die Verschlechterung des Gesundheitszustands bei mangelnder Nachversorgung und die Gefahr der Wiederaufnahme.

• Ein weiterer Aspekt ist die demografische Entwicklung, die in den nächsten Jahren/Jahrzehnten nicht zu einer Minderung des Bettenbedarfs führen wird.

• Und zuletzt sollte die Corona-Pandemie deutlich gezeigt haben, dass ein weiterer Bettenabbau hochriskant ist. Wir fordern: Kein weiterer Bettenabbau, Schaffung von Ersatz- und Reservekapazitäten.

5.

Die Kommission will einen Qualitätsbezug als Teil der Vorhaltevergütung einführen.

Wir sagen: In vielen Studien hat sich gezeigt, dass solche Qualitätsvergütungen (Pay for Performance) für die Versorgung keine positive Wirkung haben. Einmal ganz abgesehen davon, dass die beste Garantie für eine bessere Qualität der Versorgung mehr Fachpersonal wäre, ist zu bezweifeln, dass Messungen der Ergebnisqualität für relevante Teile des Krankenhausgeschehens statistisch überhaupt sauber möglich sind: Stimmt die Indikation? Ist das Auftreten einer Komplikation auf das Krankenhaus oder die Vor- und/oder Nachbehandlung durch andere oder auf das Krankheitsbild selbst bzw. den Patienten zurückzuführen? Misst man bis zum Ende des Krankenhausaufenthaltes oder betrachtet man die Langzeitergebnisse? Wenn solche Qualitätsmessungen unmittelbaren Einfluss auf die finanziellen Ergebnisse haben, muss man bei der jetzigen Art der Finanzierung mit unerwünschten Folgewirkungen rechnen: Es besteht ein erheblicher finanzieller Anreiz, Daten zu schönen oder schlicht zu fälschen. Und es besteht ein weiterer, noch schwerer wiegender Anreiz zur Patientenselektion. Das kann vom Weiterverlegen schwerer Fälle bis zur Jagd nach »jungen, gesunden« Patient*innen gehen.

Wir fordern: Statt Krankenhäusern den Geldhahn zuzudrehen, die tatsächlich oder vermeintlich eine schlechte Qualität haben, (und damit eine weitere Verschlechterung zu provozieren), müssen diese im KH-Plan als notwendig eingestuften Krankenhäuser ertüchtigt werden, gute Qualität zu liefern. Hierzu gibt es viele bewährte Mittel (z.B. Peer-Review, Einsetzung eines externen Qualitätsprüfers, …).

6.

Die Kommission will die DRGs um 20% (in einzelnen Fächern um 40%) kürzen und in entsprechender Höhe ein „Vorhaltebudget“ einführen.

Wir sagen: Die Art und Weise einer Vorhaltekostenfinanzierung, wie sie die Regierungskommission vorschlägt, ist ein Etikettenschwindel! Wenn die Vergütung über DRGs nur um 20% gekürzt wird, bleibt der Anreiz zur Mengenausdehnung erhalten. Auch die Ausgliederung der Pflegekosten am Bett aus den DRGs (seit 2019) umfasste ca. 20%. Dies hat zu keinerlei Änderungen beim Anreiz zur Mengenausdehnung aus finanziellen Erwägungen geführt. Im Gegenteil: Der Anreiz, in die Menge zu gehen, wird noch stärker, weil nur über die Finanzierungssäule der Fallpauschalen Mehreinnahmen erzielt werden können. Hinzu kommt: sowohl in der Einführungsphase (direkter Fallzahlbezug des Vorhaltebudgets) als auch in der Endversion (Bevölkerungsbezug, Qualitätsbezug, Mengenbezug) sind die Vorhaltebudgets mengenabhängig und unterscheiden sich damit nicht grundlegend von den DRGs. Am problematischsten aber: Die Gelder aus den Vorhaltebudgets sind nicht zweckgebunden. Sie könnten zwar zur Finanzierung von Vorhaltekosten eingesetzt werden, sie dürfen von Krankenhausträgern aber stattdessen auch als Gewinne entnommen werden. Und der Anreiz zum Personalkostendumping besteht in beiden Finanzierungssäulen weiter.

Wir fordern: Selbstkostendeckung und als ersten Schritt in diese Richtung die Herausnahme der Personalkosten aus den DRGs. Selbstkostendeckung gab es in Deutschland in den Jahren 1972 bis 1984. Gewinne waren gesetzlich verboten. Alle bei wirtschaftlicher Betriebsführung entstandenen Kosten mussten von den Kassen refinanziert werden. Unterjährig erfolgte die Vergütung der Krankenhäuser über tagesgleiche Pflegesätze als Abschlagszahlung. Am Jahresende wurde „spitz“ abgerechnet: Überzahlungen im Verhältnis zu den entstandenen Kosten mussten zurückgezahlt werden, Unterzahlungen mussten von den Kassen nachfinanziert werden. Die Kassen hatten das Recht, die Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Von den Ländern vorgegebene Personalanhaltszahlen dienten als Kriterium der Wirtschaftlichkeit. Damit gab es keinen Anreiz zu unnötiger Leistungsausdehnung, zu (Personal-) Kostendumping und auch nicht zu einer unnötigen medizinischen oder pflegerischen Verweildauerverlängerung. Personalkosten sind echte Vorhaltekosten. Ihre Herausnahme aus den DRGs würde den seit Jahren bestehenden Druck auf die Beschäftigten reduzieren. Die Verwendung der Gelder wäre zweckgebunden. Gewinne und Verluste wären (wie bei der Ausgliederung der Pflegekosten) grundsätzlich nicht möglich.

7.

Die Kommission will das Pflegepersonal dadurch entlasten, dass es weniger Krankenhäuser und weniger stationäre Patienten gibt.

Wir sagen: Auch das ist ein ungedeckter Wechsel auf die Zukunft. Die Hoffnung, dass die Beschäftigten der geschlossenen Krankenhäuser umziehen oder weite Fahrtstrecken in Kauf nehmen, könnte in das Gegenteil umschlagen: Demotivation und weitere Berufsflucht. Damit ist niemandem gedient. Wenn KH-Betten in großem Umfang in kleinen KH abgebaut werden, führt das in den verbliebenen KH nicht zu weniger, sondern zu mehr Patient*innen, mehr Wartezeiten, mehr Stress und fehlenden Reserven für Sondersituationen wie Pandemien oder Großschadensereignisse.

Wir fordern: Drastische Verbesserung der Arbeits- und Entlohnungsbedingungen im Krankenhaus sind die einzig erfolgversprechende Möglichkeit, dem Pflegenotstand ein Ende zu bereiten. Sie hätten auch die weitestgehende, positive Auswirkung auf die Qualität der Patientenversorgung.

8.

Die Kommission will finanzielle Anreize und finanzielle Steuerung erhalten.

Wir sagen: Strukturveränderungen sind notwendig, aber nicht über Marktgesetze. Die Motivation der Beschäftigten in den Krankenhäusern ist meilenweit vom neoliberalen „homo oeconomicus“, dem egoistischen „Nutzenoptimierer“ entfernt. Methoden der finanziellen Steuerung produzieren Konkurrenz und Demotivation und das Gegenteil einer guten, bedarfsgerechten Versorgung. Die finanziellen Anreize bei Mengensteuerung sind: Kostendumping, Fallzahlerhöhungen, unnötige Behandlungen und Patientenselektion (nur die, die sich „lohnen“)

Wir fordern: Grundsätzlich sinnvoll ist die Trennung der „Vergütung der Leistungserbringer von der Leistungserbringung“ (Selbstkostendeckung 2.0). Insgesamt ist eine Stärkung der Daseinsvorsorge notwendig, statt mehr Markt und Wettbewerb. Krankenhäuser gehören in öffentliche Hand. Gewinne müssen verboten werden.

Für Rückfragen und Interviews: Dr. Nadja Rakowitz

Krankenhaus statt Fabrik, 0172 185 8023

https://www.krankenhaus-statt-fabrik.de/

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